Veranstaltung: | Chorjugendtag 2020 |
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Antragsteller*in: | Chorjugend im Fränkischen Sängerbund und Chorjugend im Schwäbischen Chorverband (dort beschlossen am: 27.06.2020) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 26.06.2020, 15:55 |
TOP 8.6: Singen in Kinder- und Jugendchören in Zeiten von Corona
Antragstext
Obwohl wir uns in einer Phase der Lockerung der bundesweiten Einschränkungen zur
Prävention der Corona-Pandemie befinden, werden die Beschränkungen und ihre
Folgen in den Kinder- und Jugendchören noch lange wirken. Wir beobachten, dass
Singen seit dem Verbot, in der Gesellschaft mehr und mehr sein positives und
gesundes Image verliert. In Probenräumen, in Kirchen, in Privathäusern, selbst
auf Wanderwegen ist es still geworden. Unsere Gesellschaft wird seit dem
Lockdown zunehmend schweigend und nicht singend. Dabei ist längst bekannt, wie
wichtig Singen für einen gesunden Körper und eine gesunde Psyche ist. Deswegen
ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich für das Singen, auch in der
Öffentlichkeit, wieder neu auszusprechen.
Wir leben in Zeiten einer medizinisch begründeten Ausnahmesituation, die
weitreichende Maßnahmen erfordert und massive Einschränkungen im täglichen Leben
mit sich bringt. In unseren Vereinen vor Ort werden die von Regierungsseite
angeordneten Regeln und Empfehlungen seit dem Anordnungszeitpunkt
verantwortungsbewusst umgesetzt. Die Vereine vor Ort haben mit kreativen Ideen
weiter für die Musik und die Gemeinschaft auf Abstand gearbeitet. Um unser
vielfältiges Angebot vor Ort und unseren Verband auch langfristig als
leidenschaftlichen Akteur für die Kinder- und Jugendarbeit erhalten zu
können,brauchen wir Unterstützung von Bund, Ländern und Kommunen. Diese
Unterstützung benötigen wir unter anderem in folgenden Fragestellungen:
Probenarbeit
- Die Absagen von Chorproben und Veranstaltungen führen teilweise zu sehr
hohen Stornokosten von Veranstaltungsräumen, Busunternehmen etc. Zugleich
brechen den Vereinen die Einnahmequellen zur Finanzierung der anfallenden
Ausgaben weg.
- Wir sehen enorme Vorteile im Föderalismus bei der dezentralen und
situationsorientierten Bekämpfung der Pandemie. Der Dschungel aus
Verordnungen und Ausnahmen innerhalb der Bundesländer aber gerade darüber
hinaus macht die Chorarbeit sehr schwer. Bestehende Verordnungen und
behördliche Empfehlungenmüssen dringend angeglichen und verständlich
dargelegt werden.
- Für das Proben unter Hygienestandards sind zuweilen Anpassungen der
Raumnutzung möglich. Ausreichend große Räumlichkeiten für Proben, wie
ungenutzte Veranstaltungsräume, Turnhalten, etc. sollten zu finanzierbaren
Konditionen den Vereinen zur Verfügung gestellt werden. Aber auch Beratung
zur Umsetzung der Hygienestandards durch die Behörden ist notwendig.
- Den Vereinen ist oft kein „Nachholen“ der Angebote/ Konzerte möglich. Für
die Vereine bedeutet es nun gänzlich neue Jahresplanungen und zuweilen
Zielsetzungen für den Chor und Verein in Angriff zu nehmen. Hierbei werden
viele von ihnen Unterstützung brauchen, um die wirtschaftliche und
inhaltliche Ausrichtung ihres Vereines nach der rasanten Talfahrt wieder
zu organisieren. Dazu braucht es in den Verbänden Beratungskompetenz.
Fördermittel für die Amateurmusik und Jugendarbeit sollten ohne weitere
Einschränkungen direkt für die Beratung vor Orteingesetzt werden können.
Die Bildung eines Beratungsnetzwerks der Amateurmusikverbände ist dringend
zu empfehlen, hierfür werden finanzielle Mittel benötigt. Wir sehen die
Gefahr, dass Funktionäre in den Vereinen aus Angst vor neuen
Pandemiewellen und Kontaktverboten sogar die Planung weiterer
gemeinnütziger Aktivitäten in ihren Kinder- und Jugendchören aufgeben.
Verwaltung und Finanzen
- Die meisten unserer Möglichkeiten, Dritt- oder Eigenmittel zu generieren,
sind weggebrochen (z. B. Spendensammlungen oder Veranstaltungseinnahmen).
Diese Mittel dienen zur Gegenfinanzierung von Maßnahmen und sind zu allen
anderen geförderten Aktivitäten eine wichtige Finanzierungssäule in der
Jugendverbandsarbeit. Die jetzt wegfallenden Einnahmen machen in vielen
Vereinen die Arbeit eines ganzen Jahres unmöglich. Ohne finanzielle
Unterstützung müssen Vereine und auch unser Verband sein Angebot massiv
reduzieren – auf Dauer.
- Die Umsetzung von Hygieneschutzkonzepten und die damit verbundene Angst
vor Haftungsrisiken behindert den Wiedereinstieg in die Chorarbeit. Die
Kommunen sind aufgerufen ihre Vereine hier zu unterstützen, beispielsweise
durch Beratung bei der Umsetzung oder die Bereitstellung von Ressourcen
(z.B. Masken, Räume, erfahrene Reinigungskräfte)
- Die Möglichkeiten von Fristverlängerungen (Verwendungsnachweise, Anträge,
nicht-fristgerecht mögliche Gremiensitzungen etc.) sollten proaktiv und
allgemein durch die zuständigen Stellen gewährt werden, ohne dass dafür
Einzelanträge nötig sind.
Gesellschaftliche Funktion und Zukunftssorgen
- Der Alltag von Kindern und Jugendlichen wird auch in den kommenden Monaten
deutlich anders verlaufen als bisher. Hier brauchen wir eine Kinder- und
Jugendpolitik und eine Kinder- und Jugendhilfe, die flexibel nach Lösungen
suchen und Ideen und Perspektiven für die Zeit in und nach der Pandemie
entwickeln.
- Gerade in Zeiten des Physical Distancings ist es wichtig, das Vereinswesen
zu stärken, denn das Vereinswesen und das sozio-kulturelle Ehrenamt ist –
so zeigt es die aktuelle Bereitschaftswelle – systemrelevant und kann
soziale, gesellschaftliche und psychische Langzeitfolgen verhindern oder
abmildern.
- Außerunterrichtliche, wichtige Bestandteile des Schulalltags wie der
Schulchor, aber auch andere Musikorganisationen dürfen nun in Krisenzeiten
nicht als systemirrelevant bezeichnet und dann langfristig nicht mehr
angeboten werden. Denn Schulchor und andere Musikorganisationen sind für
das Gemeinschaftsgefühl der SchülerInnen, besonders in diesen
Krisenzeiten, essentiell notwendig und tragen wesentlich zum Lebensraum
Schule bei.
- In unseren Vereinen vor Ort werden die von Regierungsseite angeordneten
Regeln und Empfehlungen seit dem Anordnungszeitpunkt verantwortungsbewusst
umgesetzt. Die Vereine haben mit kreativen Ideen weiter für die Musik und
die Gemeinschaft auf Abstand gearbeitet. Auch viele unserer
außerschulischen BetreuerInnen signalisieren uns, dass sie ihre freien
Kapazitäten einsetzen, um Bildungsangebote weiter zu denken. In der
aktuellen Situation wollen wir auch wir als Verband die Bildung im Land
voran bringen und stehen im Kontakt mit dem Kultusministerium. Mit der
Hilfe der außerschulischen BetreuerInnen könnte Bildung in räumlich
getrennten, den Schülern räumlich näher gelegenen Orten als Schulen und in
den Schülerzahlen reduzierten Lerngruppen möglich sein. Gemeinsam suchen
wir nach einem Weg, schulische und außerschulische Bildung in Zeiten von
Corona weiterzudenken.
- Die Corona-Pandemie hat einer breiten Gesellschaft die prekäre und fragile
Arbeitssituation vieler Kunst- und Kreativschaffenden, wie den Musikern,
vor Augen geführt. Die Entscheidung für einen musikalischen Beruf wird
dadurch für viele junge Menschen zur existenziellen Gefahr,
Studienabsolventen ziehen einen beruflichen Umstieg in Betracht. Dies
führt langfristig zu einer Verstärkung des bereits heute frappierenden
Fachkräftemangels, sowohl in den Vereinen als auch im Bereich Schulmusik.
Um diesem entgegenzuwirken braucht es klare Positionen der Politik, dass
diese Bereiche für die Gesellschaft von hoher Relevanz sind und stabile,
unbürokratische aber vor allem langfristige Unterstützungsprogramme.
- Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs des
Bundesund der Deutsche Kinderschutzbund warnen vor den Risiken für das
Kindeswohl durch die lange Isolation zuhause. Nicht für alle Kinder ist
zuhause ein sicherer Ort. Die Vereine sind ein wichtiges Schutzinstrument,
um Kindeswohlgefährdungen zuerkennen. Dieser Bereich muss dringend
gestärkt werden. Gemeinsam mit den Jugendämtern braucht es verlässliche
Strategien und Netzwerke, um Verdachtsfälle weiter zu beobachten und die
Sicherheit der Kinder zu gewährleisten.
- Die Schließung von Schulen und Kindergärten und die damit verbundenen
Kinderbetreuungszeiten haben die Freizeitreserven und das Entgegenkommen
von Arbeitgebern der Eltern aufgezehrt. Unter anderem durch den
vorzeitigen Abbau des Jahresurlaubes, Kurzarbeit und Existenzängste.
Kinder- und Jugendchöre werden zukünftig noch verstärkt Problemen
gegenüberstehen, weil Eltern sich nicht mehr so häufig wie vor der Krise
für die Vereinstätigkeit ihrer Kinder einsetzen können. Kinderbetreuung in
Zeiten der Corona-Pandemie, darf keine Hypothek für das ganze Jahr sein.
Sonst drohen massive Krankheitsausfälle durch Erschöpfung und ein Erlahmen
der zivilgesellschaftlichen Engagements.
- Nach der Corona-Krise werden Vereine schnelle und unbürokratische
Hilfestellungenbenötigen. Überlegungen von Seiten der Regierungsparteien
im Land, wie finanziellen Sofortmaßnahmen, die Erhöhung der
Steuerfreigrenze für Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben,
als auch einen generellen Bürokratieabbau begrüßen wir. Hier plädieren wir
jedoch, dass dieses Problembewusstsein für Vereine auch nach der Corona-
Krise von politischer Seite mitgetragen wird. Unsicher, wann Vereinen
wieder Proben, Konzerte und Veranstaltungen möglich sein wird, werden wir
diese politische Unterstützung als auch weitere Initiativen der GEMA über
die nächsten Monate und Jahre benötigen.
Entstanden und zur Abstimmung vorgelegt durch die Chorjugend im Fränkischen
Sängerbund und die Chorjugend im Schwäbischen Chorverband.